„Ich will mich wieder einmischen“

Veröffentlicht am 24.09.2012 in Presseecho

Quelle: SZBZ von Tim Schweiker 21.09.2012

Es war einmal ein SPD-Kreisverband Böblingen, der hatte eine Bundestagsabgeordnete. Ihr Name: Doris Odendahl. Lang ist’s her. Seit 1998 versucht die SPD im Kreis Böblingen vergeblich an diese Zeiten anzuknüpfen. In einem Landkreis mit extrem hoher Industriedichte spielt die SPD seit Jahren nur eine Nebenrolle.

Umso größer ist die Freude in der Kreis-SPD darüber, dass mit Dr. Joachim Rücker, der von 1993 bis 2001 Sindelfinger Oberbürgermeister war, nun einer seine Bereitschaft zur Bundestagskandidatur erklärt hat, für den Wahlkampf zu machen sich lohnen könnte. Wie groß die Hoffnung ist, wird beim Auftakt von Rückers Vorstellungstour durch die SPD-Ortsvereine im GSV-Vereinsheim in Maichingen deutlich. „Mit dir haben wir die Chance, den Erfolg der OB-Wahl zu wiederholen“, sagt der ehemalige Sindelfinger Stadtrat Joachim Klenk.

Ein echtes Heimspiel hat Rücker im Vereinsheim, von den Genossen aus Maichingen, Darmsheim, Sindelfingen und Magstadt kennt er viele noch mit Namen. Ganz weg war er ja auch nie. Trotz Diplomaten-Posten in Sarajewo, Stockholm oder im Kosovo ist die Region Stuttgart sein Lebensmittelpunkt geblieben. Und natürlich erinnert er sich gerne an seine acht Sindelfinger OB-Jahre, macht aber gleich klar: „Deshalb braucht ihr mich nicht wählen. Es geht um bundespolitische Themen.“

Aber warum will einer, der auf dem internationalen Parkett zu Hause ist, nun wieder zurück in den Kreis Böblingen? Zurück in die Politik? „Weil ich mich wieder einmischen will“, beantwortet Rücker die Frage von Stadtrat Helmut Schmid. Das Modell der parlamentarischen Demokratie, sagt Rücker, „ist ins Rutschen geraten“. Zwei Trends könne er erkennen: „Die Forderung nach mehr direkter Demokratie, und das Gefühl vieler Menschen, die Politik sei restlos überfordert.“

Ob Demokratie via soziale Netzwerke oder Volksabstimmungen – für Rücker sind das keine Tabus: „Man kann das alles nutzen, um die parlamentarische Demokratie zu ergänzen. Ersetzen kann man sie damit nicht. Ein echter Diskurs über politische Projekte kommt nur in der Begegnung der Bürger mit ihren gewählten Abgeordneten zustande. Dieser Herausforderung will ich mich stellen.“
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Inhaltlich reißt Rücker an diesem Abend die allgegenwärtigen Themen nur kurz an: Euro-Krise, Energiewende, Arbeitsmarkt und soziale Sicherheit. Er fasst sich kurz. Nicht, weil er nicht eloquent etwa über die Ursachen der Schuldenkrise zu reden imstande wäre, sondern weil er zeigen will, dass es ihm nicht darum geht, ein festgezurrtes Programm durchzuboxen: „Wir müssen mit den Bürgern darüber diskutieren, wie wir leben wollen. Und nicht, wie wir angeblich leben müssen.“ Dabei setzt er auf das Motto, mit dem er 1993 den OB-Wahlkampf in Sindelfingen geführt hat: „Zuhören, entscheiden, handeln.“

Die Politik müsse aber auch „ihren Gestaltungsanspruch“ deutlich machen: „Wir müssen das Primat der Politik auch da durchsetzen, wo es wehtut.“ Das sei das Gegenteil dessen, was die Kanzlerin als „marktkonformer Demokratie“ bezeichnet habe: „Die Politik muss im Fahrersitz bleiben.“

Die SPD-Mitglieder, etwa der ehemalige Sindelfinger SPD-Fraktionsvorsitzende Hans Klemm, machen an diesem Abend deutlich, dass es vor allem ein Thema ist, das ihnen besonders unter den Nägeln brennt: die soziale Frage, mithin also das Ur-Thema der Sozialdemokraten. Rücker nimmt diese Signale ernst: „Die soziale Schere geht auseinander in einer Zeit, in der der Steuerzahler die Banken rausgehauen hat nach diesen Eskapaden des Kapitalismus. Die Politik muss zeigen, dass sie diese Entwicklung nicht gleichgültig hinnimmt.“

Neben der inhaltlichen Positionierung, bei der sich Rücker erst am Anfang sieht, geht es auch ums Praktische. Marianne Beck, langjährige Stadträtin in Sindelfingen, fragt Rücker, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen aus den letzten Bundestagswahlen, ob er denn schon mal Kontakt mit dem Landesvorstand der Partei aufgenommen habe: „Eine Absicherung auf der Landesliste wäre nicht so ganz schlecht.“

Rücker weiß, dass es ihm schwerfallen dürfte, seinem CDU-Konkurrenten Clemens Binninger im Herbst 2013 das Direktmandat streitig zu machen. Und natürlich habe es schon Gespräche gegeben. „Aber für Konkretes ist es noch viel zu früh.“ Erst mal müssen ihn die SPD-Mitgleider bei der Nominierungskonferenz am 13. Oktober offiziell zum Kandidaten machen.

Zweifel hat daran niemand. Vielleicht, mag mancher Genosse hoffen, ist es ja kein Zufall, dass Rücker an diesem Abend seine Freundschaft mit Gernot Erler aus Freiburg erwähnt. Der gehört im Land zu den wenigen SPD-Bundestagsabgeordneten mit Direktmandat.

Der ehemalige Sindelfinger Oberbürgermeister Dr. Joachim Rücker will im Herbst 2013 für die SPD im Wahlkreis Böblingen in den Bundestag einziehen.

 
 
 

 

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