Wenn die Politik auf dem Prüfstand steht

Veröffentlicht am 18.03.2011 in Presseecho

Warum wird man eigentlich Abgeordneter? Die Zehntklässler Kai, Anjuli, Larissa und Lena der Werkrealschule Weil im Schönbuch löcherten für ihre Abschlussprüfung den Landtagskandidaten Florian Wahl KRZ-Foto: Annette Wandel

Ob sie hinter die Kulissen der Landtagswahl spähen, brandaktuelle Themen der Energienutzung thematisieren oder sich über Integrationsschwierigkeiten in Deutschland den Kopf zerbrechen - Politikverdrossenheit kann man den Zehntklässlern der Grund- und Werkrealschule nicht vorwerfen.
Von Sylvia Erben Kreiszeitung Böblinger Bote vom 18.03.2011

WEIL IM SCHÖNBUCH. Gerade tüfteln die Jugendlichen an verschiedenen Projekten zu Energienutzung, Integration und Landtagswahl. Mit Fragen zu Alltag, Ziel und Motivation des Landtagswahlkandidaten löcherten die Jugendlichen am Mittwochmorgen den SPD-Kandidaten Florian Wahl.

Ein wenig erinnert die Anordnung der Tische im Klassenzimmer Nummer 22 der Werkrealschule an ein Bewerbungsgespräch. Wäre dies nicht ein Schulprojekt, so säßen an der langen Tischhälfte wohl vier Wirtschaftsbosse, die mit undurchdringlich dreinblickenden Mienen ihr Gegenüber mustern würden. Ein gekonntes Pokerface setzten auch Anjuli, Larissa, Lena und Kai auf, als sie am Mittwoch gegen 12 Uhr eine halbe Stunde lang selbst Chef spielen durften. Die vier Zehntklässler löcherten den SPD-Kandidaten mit Fragen zu seiner Politik: Warum man ihn eigentlich wählen sollte, wie er denn ausgerechnet bei der SPD gelandet ist und was er so vor hat, sollte er es tatsächlich in den Landtag schaffen, wollten die Zehntklässler von dem Böblinger wissen. Was sie von dem halten, was ihnen der 26-Jährige dann mit vielen Worten zu erklären versucht, ließen sie sich nicht anmerken.

"Themenorientierte Projektprüfung" nennt sich dieser Teil des Lehrplans, bei dem jedes Jahr die Werkrealschüler der zehnten Klasse ein Thema ihrer Wahl recherchieren und vorstellen. Am Donnerstag, 17. März, werden diesmal drei verschiedene Gruppen ihre Ergebnisse zum Thema Landtagswahl, Sonnenenergie und Integration präsentieren. Nun läuft die heiße Phase der Recherchearbeit an.

Obwohl sie Florian Wahl ganz für sich allein hatten, blieben die Schüler der Politik-Arbeitsgruppe eher zurückhaltend. "Wählen würden wir ihn ja schon", sind sie sich zwar nach dem Gespräch einig und lächeln scheu. Trotz großem Interesse blieb jedoch ein Bombardement an Fragen und Kommentaren am Mittwoch aus. Die Folge: eher gewöhnliche, klassische Antworten aus dem Programm der Sozialdemokratischen Partei statt überraschende Themen.

Über das Gespräch hinaus werden sich die vier Jugendlichen in den kommenden Tagen bei verschiedenen Wahlbüros des Kreises über Ziele und Programme der großen Parteien informieren. Die Tendenz an ihrer eigenen Schule ist eindeutig: "Bei einer Schülerumfrage hatte die SPD eine klare Mehrheit von 51 Stimmen. Gleich danach kam die Linke mit neun Stimmen.", erzählt der 16-jährige Kai. Als besonderes Schmankerl an ihrer Projektpräsentation wird es eine eigene Wahl bei den Jugendlichen geben. Dabei gestalten die Schüler mit selbstgestalteten Wahlplakaten und den erfundenen Parteien "Schüler für Schüler" und "Freie Schüler & Politik", eine Wahlkampagne. Das Parteiprogramm muss allerdings erst noch geschrieben werden.

Um das leider brandaktuelle Thema Solarenergie drehte es sich in der zweiten Projektgruppe. Im Musiksaal werkelten und experimentierten die Klassenkameraden Megan, Antonios, David und Sven mit Solarzellen, Energie und Wasserkreisläufen. "Das Thema wird ja immer wichtiger", erklärten die vier und zeigen sich betroffen von der Atomkatastrophe. "Am Anfang haben wir mit dem Begriff alternative Energie gar nichts anfangen können", fügen sie hinzu. Das ist jetzt anders. Spannend finden die Realschüler ihr Projekt allemal und basteln bei ihren Versuchen Energiekreisläufe mit Kochtöpfen, Schläuchen und Leitungen. Durch die Beleuchtung einer Platte mit Solarzellen, erzeugen sie zum Beispiel Energie, leiten diese weiter und erhitzen Wasser.

Etwas weniger experimentell ging es da in der Arbeitsgruppe für Integration von jungen Migranten in Deutschland zu. Rabia, Vanesa, Ali und Yavuz können alle ihre eigene Migrationsgeschichte erzählen. Nun möchten sie sich selbst und ihre Mitschüler über Hintergründe, Schwierigkeiten und Gefahren informieren.
Schulleiter Karl Heinz Hartmann ist beeindruckt von der Findigkeit und dem offensichtlichen Interesse seiner Schüler: "Es ist schön zu sehen, dass das Vorurteil der Politikverdrossenheit wenigstens bei uns nicht zutrifft", stellt er stolz fest.

 
 
 

 

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