Haushalt 2011 der Stadt Böblingen, Haushaltsrede Herbert Protze, SPD-Fraktion am 15.12.2010

Veröffentlicht am 16.12.2010 in Fraktion

Es begab sich zu der Zeit, als sich Gemeinderat und Stadtverwaltung aufmachten, aus ihrem Dornröschenschlaf aufzuwachen und die Stadt für ihre Bürgerinnen und Bürger weiter zu entwickeln, auf das sie noch lebens- und liebenswürdiger werde. Die Bedenkenträger wurden in die Ecke gestellt. Lang genug hatten diese die Stadtentwicklung be- oder gar verhindert – jetzt geht es voran.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, Herr Schwarz, Frau Kraayvanger, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren:

Nein, es ist kein Märchen von dem ich berichte, sondern von einer Entwicklung, die teilweise von außen angestoßen, aber von uns dankend aufgenommen wurde. Insbesondere die Unterstadt wird durch den Bau eines Einkaufscenters auf dem alten Busbahnhof und den Neubau der Kreissparkasse eine Entwicklung erfahren, die ihresgleichen in den letzten Jahrzehnten Böblinger Geschichte sucht. An diesem Beispiel lässt sich schön darstellen, welche Vorgehensweise mit Erfolg belohnt wird. Als Stadt mutig einen ersten Schritt tun, Anreize schaffen, Planungssicherheit geben.
Wir haben einen mutigen ersten Schritt getan, indem wir den Busbahnhof verlegt haben, ohne einen Investor am alten Standort zu haben. Dieser Mut – man könnte auch Voraussicht sagen, wurde belohnt. Mit dem Investor hkm, Herbert Krämer, haben wir einen „Partner“ gefunden, der uns hilft, Böblingen wieder zur Einkaufsstadt zu machen: mit eigenem Gesicht und eigenem Profil.
Wenn man den Bürgermeister von Bergisch Gladbach hört, hat dort in vergleichbarer Situation durch den Bau der Rheinberg-Galerie allen Unkenrufen zum Trotz das gesamt Umfeld profitiert. Leerstände sind dort nicht nur in der Galerie selbst ein Fremdwort, sondern auch in der benachbarten Fußgängerzone.
Eine Fußgängerzone haben wir ja auch für Böblingen beschlossen – den Anliegern wurde Planungssicherheit gegeben und man kann den anliegenden Unternehmern nur empfehlen, etwas zu unternehmen und mitzumachen. Was den effektiven Umsetzungstermin für die Einrichtung der Fußgängerzone anbelangt, müssen wir uns sicherlich nach dem Baufortschritt von Einkaufscenter und Kreissparkasse richten. Und was das leidige Thema „Krauß-Gebäude“ anbelangt, kann ich nur wiederholt auf das Grundgesetz hinweisen: Eigentum verpflichtet.
Die Maßnahmen wie Errichtung eines Kreisverkehrs am Listplatz – und der funktioniert- sowie der Umbau der Brumme-Allee sind abgeschlossen. Nach dem Anschluss an das Flugfeld durch die neue großzügige Unterführung und dem Umbau des Bahnhofs erscheint die Unterstadt dann in einem neuen Bild.
Bleibt keine Zeit zum Ausruhen: die anderen Quartiere müssen wettbewerbsfähig gehalten werden und dürfen den Anschluss nicht verlieren.
Auch die finanziellen Anreize des Bundes zur Investitionsförderung in Rahmen des Konjunkturprogramms haben in Böblingen wie im ganzen Land zu massiven Investitionen in die kommunale Infrastruktur geführt. Und dies vorrangig im Zusammenhang mit CO2- und Energieeinsparung. Wir sind auf einem guten Weg, die kommunalen Einrichtungen aufs Laufende zu bringen – mehr wie derzeit kann ein Baudezernat, das mit der aktuell vorgegebenen Personalstruktur Hervorragendes leistet, gar nicht abarbeiten. Die SPD-Fraktion hält es allerdings für wenig hilfreich, den Popanz eines Sanierungsbedarfs bei städtischen Gebäuden in Höhe von 260 Mio. € aufzubauen. Das bringt uns nicht weiter, das macht den Menschen höchstens Angst. Lösungen sind gefragt und kein Bangemachen!

Allerdings muss man sich spätestens an dieser Stelle fragen, wie es denn um die städtischen Finanzen aktuell gestellt ist – und dann wohl zu der Aussage gelangen: wir dürfen uns künftig nicht mehr fragen, was wir uns leisten wollen, sondern was wir uns leisten dürfen!
Die Gewerbesteuer ist eingebrochen. Rücklagen sind aufgevespert. Eine deutliche Kreditaufnahme erforderlich. Haben wir über unsere Verhältnisse gelebt? Sicherlich, die eine oder andere Maßnahme ist zu üppig ausgefallen; so z.B. der zwar schöne und wichtige Bürgertreff am See – leider viel zu teuer. Auch die Investitionen in den Ausbau der U3-Betreuung: richtig und wichtig, aber Investitionen zwischen 20.000 und 50.000€ je zusätzlichem Platz sind einfach zuviel. Wahrscheinlich denken wir zu sehr in Immobilien, denn in Pädagogik. Ja, ein toller Sportkindergarten, der kann sich sehen lassen – für viel Geld. Einfache und preiswerte Alternativen, wie sie z.B. die Jugendfarm aufgezeigt haben, werden nicht aufgegriffen.

Für unser so genanntes strukturelles Haushaltsproblem sind wir allerdings nicht alleine verantwortlich. Einen großen Anteil daran tragen Bund und Land dank einer unsäglichen Steuerpolitik. Hinzu kommt, dass ständig mehr und mehr Aufgaben auf die kommunale Ebene verlagert werden, ohne dass die dazugehörigen Mittel bereitgestellt werden. Diese ständige Verletzung des Konnexitätsprizips – was einfach gesagt bedeutet, wer bestellt, bezahlt, ist nicht länger hinzunehmen. Im Bereich der Kinderbetreuung – insbesondere im U3-Bereich- haben wir gigantische Kostensteigerungen zu verzeichnen. Hinzu kommen steigende Lasten im Sozialbereich, die uns über die Kreisumlage erreichen. Und letztendlich die unsägliche Diskussion über die Abschaffung der Gewerbesteuer, die gerade für Städte wie Böblingen unverzichtbar ist. Man kann nur hoffen, dass auch die derzeitig aktive Kommission zu der Einschätzung kommt, dass eine Gegenfinanzierung – dies würde z.B. eine Mehrwertsteuererhöhung von 19 auf 24 % bedeuten – nicht darstellbar ist.

Was also tun, wenn das Geld knapp wird: Steuern und Gebühren hoch, Zuschüsse runter? Nein, die von der Verwaltung vorgeschlagenen Maßnahmen trägt die SPD-Fraktion so nicht mit. Eine Grundsteuererhöhung von schlappen 24 % sind zuviel. Nicht nur Hausbesitzer, auch die Mieter sind von solch immensen Steigerungen betroffen. Wir freuen uns, dass der Finanzausschuss dem SPD-Vorschlag gefolgt ist, eine deutlich geringere Erhöhung des Grundsteuer-Hebesatzes auf 310%-Punkte vorzunehmen und hoffen, dass dieser Vorschlag auch im Gemeinderat eine Mehrheit findet.
Die 20-prozentige Kürzung der Vereinszuschüsse trägt die SPD wie alle anderen Fraktionen nicht mit. Schon die Vorgehensweise war nicht zielführend; dabei hätten wir bei der letzten Sparrunde doch so viel lernen können, ja sogar lernen wollen. Sicherlich muss man sich zusammensetzen und Einsparungsmöglichkeiten erarbeiten, aber nicht einfach über die Köpfe der Betroffenen hinweg Pflöcke einschlagen. So zerschlägt man höchstens ehrenamtliche Strukturen, wo doch das Ehrenamt in letzter Zeit immer so bemüht wird.
Was wir mittragen, ist eine moderate Steuer- und Gebührenerhöhung, weil das strukturelle Haushaltsproblem, dass die Einnahmen die Ausgaben nicht mehr decken uns mittelfristig erhalten bleiben wird. Auch tragen wir die vorübergehende Erhöhung des Schuldenstands mit. Zwar ist am Horizont zumindest bei Bund und Ländern der berühmte Silberstreifen zu sehen, doch muss man aufpassen, dass das Licht am Ende des Tunnels nicht ein entgegenkommender ICE ist. Auch wenn die Einnahmen sich mittelfristig wieder etwas erholen, so sehen wir doch, wie schwer wir uns mit der Ansiedlung neuer hochwertiger Nutzungen auf unseren Filetgrundstücken auf der Hulb und dem Flugfeld tun. Und gegen die, die kommen wollen, regt sich Widerstand.
Was wir überhaupt nicht verstehen ist das aktuelle Verhalten der Freien Wähler: Ablehnung jeglicher Steuererhöhungen, Ablehnung von Kürzungsvorschlägen, Ablehnung des Erschließens neuer Finanzquellen über den Ausbau der Stadtwerke zum Vollversorger und die Investition in renditeträchtige Investitionen im Energiebereich – aber die teuren eigenen Lieblingsprojekte, z.B. eine neue Schwimmhalle, will man am Besten gleich morgen. Ja geht´s noch?

Was immer geht, ist Kreativität. Und die ist mehr gefragt denn je. Das weiter so war gestern. Und da tut sich ja einiges auf dem Rathaus. Allerdings gilt nach wie vor der Management-Leitsatz: „Structure follows strategie“. Da wir die Strategie noch nicht klar genug erkennen können, sind wir bei Strukturveränderungen momentan etwas zurückhaltend. Insofern ist auch unser Haushaltsantrag zu verstehen, jegliche Stellen-Neuschaffung und auch -besetzung unter Vorbehalt des Gemeinderats zu stellen.
Unser neuer Oberbürgermeister ist manchmal in den Themen sehr schnell. Gut so. Doch leider führt dies öfters dazu, dass der 2. Schritt vor dem ersten gemacht wird. Auch hier bitten wir von der SPD-Fraktion um Nachsicht, wenn uns das nicht gefällt und wir auf saubere schriftliche Vorlagen bestehen, denn ein „so haben wir das in Süßen auch gemacht“, reicht halt manchmal nicht aus.

Doch zurück zum Thema Kreativität. Ein bloßes Steuern über Hebesätze, Gebühren und Freiwilligkeitsleistungen greift zu kurz. Wir brauchen eine Strategiegruppe, die neue kreative Ideen entwickelt. Sachverstand und Ideen sind überall vorhanden. In der Bürgerschaft, in Verwaltung und Gemeinderat und bei den Mitarbeitern. Diesen Schatz zu heben ist eine große Aufgabe, deren Lösung ich uns zutraue. So z.B. beim Thema Schulentwicklung: momentan werden halt die Schulbezirke mal neu zugeschnitten, wenn´s zwickt. Der SPD-Antrag schlägt vor, mit allen Beteiligten von Schule, Elternbeiräten, Verwaltung etc. eine Schulentwicklungsplanung für Böblingen zu erstellen:
Wo wollen wir in 10 Jahren stehen, welche Schulformen haben überhaupt Zukunft, wie sieht die demographische Entwicklung aus, wo soll investiert werden und wo nicht?

Viel Kreativität und das Bohren dicker Bretter ist auch beim Thema: Zukunft der Energieversorgung und deren Rekommunalisierung gefragt. In meiner letztjährigen Haushaltsrede habe ich dieses Thema als eines der Wichtigsten für 2010 definiert. Die AG-Energie hat sich intensiv mit dem Thema beschäftigt man hat viel beraten, diskutiert und überlegt. Nun sind wir an einem Punkt angelangt, an dem Entscheidungen erforderlich sind. Für mich, für die gesamte SPD-Fraktion bietet das Thema nach wie vor eine hervorragende Gelegenheit ökologische Zielsetzungen mit ökonomischen zu verknüpfen. Lokal können wir am meisten für unsere Umwelt tun und wenn man dabei auch noch Geld verdienen kann, dann hat das nichts mit Dogmatismus zu tun, sondern ist das konsequentes Ausnützen von Chancen. Wir müssen die Netze von der EnBW zurückkaufen und die Stadtwerke Böblingen zu einem Vollversorger ausbauen. Für mich stellt sich lediglich noch die Frage mit welchem Partner und in welcher Konstellation. Schorndorf hat mit dem Gewinn der eigenen Stadtwerke ein 12 Millionen € teures Schwimmbad gebaut. Zahlreiche andere Städte schreiben seit Jahren Erfolgsgeschichte. Unsere ehemaligen ersten Bürgermeister können von Stadtwerken berichten, die mit ihren Gewinnen den städtischen Haushalt stützen, statt ihn zu belasten: Herr Beck in Tuttlingen und Herr Brand in Friedrichshafen. Und wer nicht so weit schweifen will, muss nur über die Autobahn schauen. Die Stadtwerke Sindelfingen werfen hohe Gewinne ab und zählen darüber hinaus zu den besten Gewerbesteuerzahlern der Stadt.

Apropos Sindelfingen: da war doch mal was: Städtefusion war das Zauberwort. Da ist dem Luftballon von Herrn Vöhringer wohl etwas die Luft raus gegangen. Selbst von den Synergieeffekten in der Zusammenarbeit ist kaum mehr die Rede. Aktuell plant Sindelfingen, die eigene Bibliothek mit viel Geld, das man ja bekanntlich gar nicht hat, aufzupäppeln. Da war doch mal was…
Der Grundgedanke, durch Querdenken und Kreativität Geld zu sparen war an und für sich nicht schlecht.

Wenden wir uns also wieder unseren eigenen Themen zu. Da Bedarf es wie bereits gesagt auch viel Kreativität und Querdenkens. Das werden wir zusammen meistern: zum Wohle Böblingens und seiner Bürgerinnen und Bürger.

Herzlichen Dank

 
 
 

 

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